Am 20. März 2012 fad im Auswärtigen Amt in Berlin der erste Workshop der Initiative for the Development of a Euro-Atlantic and Eurasian Security Community (IDEAS) statt. IDEAS ist eine gemeinsame Initiative von CORE, der Fondation pour la Recherche Stratégique (Paris), des Polish Institute of International Affairs (PISM)Moscow State, und des Institute of International Relations (University) of the Russian Foreign Ministry (MGIMO). Sie hat sich zum Ziel gesetzt, der Vision einer Sicherheitsgemeinschaft – eine Region, in der Konflikte ohne Krieg oder die Androhung von Krieg gelöst werden – mehr Substanz zu verleihen. Das Ziel, eine Sicherheitsgemeinschaft zu schaffen, war von den OSZE-Staats- und Regierungs[-]chefs auf ihrem Gipfeltreffen in Astana 2010 angenommen worden. Das Berliner Treffen brachte mehr als 100 Teilnehmer und Gäste aus 30 OSZE-Teilnehmerstaaten zusammen, darunter 25 Botschafter. Für den irischen OSZE-Vorsitz nahm Botschafter Lars-Erik Lundin teil, vom OSZE-Sekretariat Botschafter Adam Kobieracki, der Direktor des OSZE-Konfliktverhütungszentrums.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle eröffnete den Workshop mit einer engagierten und umfassenden Rede, welche die wichtigsten Arbeitsgebiete der OSZE von konventioneller und nuklearer Rüstungskontrolle bis zur menschlichen Dimension berührte. Der Außenminister hob insbesondere die Notwendigkeit hervor, der Vision einer Sicherheitsgemeinschaft mehr Substanz zu verleihen, und bekräftigte, dass die deutsche Bundesregierung an der Arbeit von IDEAS Interesse habe und sie unterstützen wolle. In seiner Begrüßung hatte Wolfgang Zellner, der Leiter von CORE, dem Auswärtigen Amt für dessen nachhaltige Unterstützung, ohne die der Workshop nicht möglich gewesen wäre, herzlich gedankt.
Der erste runde Tisch, der sich mit den grundlegenden Voraussetzungen einer Sicherheits[-]gemeinschaft befasste, wurde von Professor emeritus Robert H. Legvold von der Columbia University eingeleitet. Er ist ebenfalls Direktor der Euro-Atlantic Security Initiative (EASI), einer Initiative des früheren U.S.-Senators Sam Nunn, des ehemaligen russischen Außenministers Igor Iwanow und des deutschen Staatssekretärs a.D. Wolfgang Ischinger, die im Februar 2012 einen weithin beachteten Bericht veröffentlichte. Robert Legvold benannte Misstrauen und Mangel an politischem Willen als die wichtigsten Hindernisse auf dem Weg zu einer Sicherheitsgemeinschaft und skizzierte eine Reihe von Schlüsselgebieten für Kooperation, unter anderen Raketenabwehr und Energiefragen. In der anschließenden Diskussion wurde diese Idee strategischer und das ‚Spiel verändernder‘ Kooperationsprojekte von einer Reihe von Sprechern aufgenommen. Andere Teilnehmer/innen sprachen die globale Interdependenz, den wachsenden Druck auf nationale und internationale Institutionen, die andauernde Wirkung des Sicherheitsdilemmas und das Fehlen gemeinsamer Werte an. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, ob es wirklich eine objektive Notwendigkeit für eine Sicherheitsgemeinschaft gäbe oder ob dies nur eine nette Idee wohlmeinender Leute sei.
Der zweite runde Tisch befasste sich mit der institutionellen Dimension einer Sicherheits[-]gemeinschaft. Er wurde von Ruprecht Polenz, Mitglied des Deutschen Bundestages und Vorsitzender dessen Auswärtigen Ausschusses eingeleitet. Er betonte die Notwendigkeit, auf der Grundlage von Arrangements gemeinsamer Sicherheit und geteilter Werte in einer global interdependenten Welt mehr Sicherheit zu produzieren. Im Anschluss daran legten hochrangige Vertreter der NATO (Stellvertretender Generalsekretär Botschafter Dirk Brengelmann) und der EU (Botschafterin Mara Marinaki) die Mandate und Aufgaben ihrer Organisationen dar. Dem folgten Beiträge unter anderen über ungelöste subregionale Konflikte, den spezifischen Platz Eurasiens im Konzept einer Sicherheitsgemeinschaft, Russlands Rolle in diesem Rahmen, die gegenwärtigen und künftigen Beiträge der OSZE zu einer euro-atlantischen und eurasischen Sicherheitsgemeinschaft und über die Notwendigkeit eines Durchbruchs.
Pál Dunay vom Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik leitete den dritten runden Tisch ein, der sich mit Rüstungskontrolle befasste. Er hob den Rückgang identifizierbarer gewaltsamer zwischenstaatlicher Bedrohungen hervor. Er befasste sich mit dem georgisch-russischen Krieg 2008 und wies warnend darauf hin, dass das Niveau militärischer Transparenz bereits abgenommen und der amerikanisch-russische ‚Neustart‘ sich bisher auf Nuklearfragen beschränkt habe. In der Diskussion wurde eine Reihe von Fragen angesprochen einschließlich der widersprüchlichen Verbindung zwischen Rüstungskontrolle und subregionalen Konflikten, der Beziehung zwischen militärischer Zusammenarbeit und Rüstungskontrolle, der Frage rechtlich versus politisch verbindlicher Instrumente und des Für und Wider des gegenwärtig modernen Transparenz-Ansatzes.
Schließlich bot der vierte runde Tisch, der keinem spezifischen Gegenstand gewidmet war, die Gelegenheit, Fragen anzusprechen, die weiterer Diskussion bedurften. In seiner Einleitung betonte Staatssekretär a.D. Wolfgang Ischinger, dass globale und regionale Governance eine Wachstumsindustrie darstelle. Er warnte vor einer Vernachlässigung von Rüstungskontrolle als eines der wenigen außenpolitischen Instrumente, das sich in den meisten Ländern einer breiten Unterstützung verschiedener politischer Kräfte erfreue. Ein anderer Beitrag betonte die Notwendigkeit zu erklären, warum wir eine Sicherheitsgemeinschaft brauchen.
Man war sich allgemein darüber einig, dass der Berliner Workshop eine Vielzahl nützlicher Beiträge zur Klärung der Substanz einer euro-atlantischen und eurasischen Sicherheits[-]gemeinschaft erbracht habe und so einen guten Start des IDEAS Workshop-Zyklus darstelle, der in Paris (April), Warschau (Mai) und Moskau (Juni) fortgeführt werden wird.
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